Chile – Torres del Paine: T2 Las Torres a Chileno. Zum Mirador ohne Namen 07.02.2025

Veröffentlicht in: Aktuell, Allgemein, Archiv, Chile | 0

Seit 3 Uhr morgens hören wir Autotüren klappern und Wanderer vorbeistiefeln. Im Stockfinstern machen sich diejenigen auf den Weg, hinauf zum Lago Torres, die das berühmte Sonnenglühen auf den Felstürmen sehen wollen. Ein Aufstieg von 10 Kilometern Länge. Im Dunkeln. Dort oben ist es bitterkalt, 2°C und windig

Drei Stunden später, im ersten Morgengrauen, liege ich auch wieder auf der Lauer und hoffe….

Und heute werde ich für die Ausdauer belohnt.

Von der Morgensonne in feuriges Orange getaucht beginnen die Felsen zu glühen

Das Licht wechselt die Farbe und tuscht mehr Goldgelb auf die Türme

mischt mehr und mehr Weiß dazu

ein letzter Pinselstrich und das Licht verblasst

Atemberaubend schön…….

 

Heute nehmen wir uns ein Teilstück des T2 Wanderweges vor. Der Weg führt hinauf zum Lago Torres, aber wir werden nur bis zum Mirador ohne Namen wandern.

Natürlich würden wir den Lago Torres auch gerne sehen. Aber ohne reservierte Unterkunft müssten wir 10 Kilometer hinauf zum Lago und 10 Kilometer wieder zurück wandern – das überfordert unsere Kräfte.

Um den Wandermassen zu entgehen, sind wir extra früh unterwegs, um 8:01 Uhr sind wir startklar.

Vorm Resort parken Reisebusse, mit uns sind schon einige Leute unterwegs. Aber es hält sich in Grenzen….

Überall blüht Kamille, das haben wir gestern garnicht wahrgenommen

Vor der Hängebrücke gibt es einen kleinen Stau, es dürfen maximal 2 Personen gleichzeitig auf die schwankenden Planken.

Bis hierher kennen wir den Weg von gestern, von der Wanderung zur Laguna Inge. Jetzt zweigt der T2 ab und geht gleich steil nach oben. Wir lassen den anderen den Vortritt und steigen in Ruhe bergauf

Dieser Wanderweg ist einer der beliebtesten und das merkt man auch.

Erst noch moderat, beginnt bald ein Anstieg, der es in sich hat

Ohne Pause geht es aufwärts

Wir müssen kurz verschnaufen. Ein toller Ausblick über den Rio Ascencio und den Lago Norderskjöld

wieder zu Atem gekommen stapfen wir weiter……..

Dieser Weg kennt nur eine Richtung: bergauf! Ganz schön kräftezehrend….

Immer weiter himmelwärts, schön langsam. Plötzlich spüren wir deutlich, wie die Temperatur fällt. Auf einen Schlag ist es um ein paar Grad kälter.

Immer wieder überholen uns Leute. Ein paar wenige Athleten marschieren flotten Schrittes zielstrebig bergan, Kopfhörerstöpsel in den Ohren.

Alle anderen, egal ob alt oder jung, keuchen nassgeschwitzt mit hochroten Gesichtern an uns vorbei, schnaufen genauso laut vor sich hin wie wir.

Es gibt auch welche, die trotz Atemnot noch Dauerschnattern können, ein interesantes Phänomen….

 

Pause. Auf meinem Stirnband perlen Wassertröpfchen, wir tanken Traubenzucker nach…

Frische Energie! Tapfer kraxeln wir weiter bergauf, über Stock und Stein

Boah, die Oberschenkel brennen….das ist voll anstrengend heute!!

Jede Gelegenheit wird genutzt, um stehenzubleiben, Luft zu holen  und die Aussicht zu genießen

Erstmal wieder hinsetzen…..Wie weit ist es denn noch? Martin checkt die Lage

Wolkenschwaden jagen über die Gipfel. Im Tal wirbelt ein Reisebus Staub auf.

„Nicht mehr weit!“ verkündet Martin.

Nicht mehr weit ist ein dehnbarer Begriff, lieber nicht so genau nachfragen….

„Nur noch über den nächsten Hügel…“

Teilweise möchte man schon wieder auf allen Vieren hochkrauchen um die Höhenmeter zu überwinden. Eine Plackerei….

Nach mehr als 1½Stunden strammen Aufstiegs wird der Weg endlich flacher. Geschafft! Das wir das noch erleben dürfen!

Wir nehmen uns nochmal Zeit für die wunderschöne Umgebung. Vor allem diese entzückende Blumendekoration…

Hangabwärts rauscht der Rio Ascencio durchs Tal, bald müssten wir den Mirador sehen….wir freuen uns auf die tolle Aussicht

Dann sind wir da.

Das ist es: der Aussichtspunkt.

Echt jetzt?

Ist das alles? Ein Stück Wegrand? Wo sind die Bänke? Haben wir uns dafür so tapfer nach oben gekämpft und alles gegeben?

Der Blick ins Tal.

Schon spektakulär, aber ehrlich gesagt, dachte ich, man sieht wenigstens ein bißchen was von den Türmen…..

Wir sehen uns an und müssen lachen…..dafür die ganze Mühe….das haben wir uns ganz anders vorgestellt!

 

Etwas mehr als einen Kilometer entfernt liegt im Tal der Camping Chileno. Die Plätze sind Monate im Voraus ausgebucht. Hätten wir einen Zeltplatz ergattert, könnten wir dort übernachten, am nächsten Morgen in der Dunkelheit die letzten vier Kilometer bis zum Lago Torres in Angriff nehmen und rechtzeitig zum Sonnenglühen am See sitzen. Das wäre schon schön…..

Wenn man Glück hat und es glüht.

Vorher ist noch eine höllisch steile Passage über loses Geröll zu überwinden, haben wir gelesen.

Vielleicht ein andermal, das mit dem Reservieren ist für uns immer so eine Sache, so weit im Voraus zu planen…schwierig….und wir haben auch kein Zelt…..

Noch ein Selfie – nicht einfach, eines ohne viele andere Leute drauf hinzukriegen – dann machen wir uns auf den Rückweg.

Wir haben uns vorhin schon einen schönen Platz ausgeguckt für unser Picknick.

Es ist halb 11 Uhr, jetzt kommt uns die Karawane entgegen, die den Aufstieg zum See noch schaffen will. Hochbetrieb auf dem T2 Wanderweg.

Gut, das wir so früh losgewandert sind. Gerade noch vor dem Massenansturm

Auf flachen Steinen sitzend genießen wir unser Butterbrote und den Rosinenkuchen ( boah, ist der lecker! ) und sehen den Kolonnen beim wandern zu

Ein paar Jungs haben ihre Musikbox mitgebracht und hören laut Salsamusik. Wir erholen uns erstmal ausgiebig im Sonnenschein von den Strapazen.

Na dann….machen wir uns an den Abstieg

Erschöpfte Menschen keuchen uns entgegen, oft bleiben wir stehen, um sie auf dem schmalen Weg vorbeiziehen zu lassen.

Manch einer sitzt mit hängendem Kopf am Wegesrand, völlig fertig….

Abwärts…die Knie beginnen zu zittern….die Oberschenkelmuskeln protestieren……

Der Ausblick: sagenhaft!

Abwärts wandern ist ähnlich anstrengend wie aufwärts. Jetzt ringen wir zwar nicht mehr um Luft, aber die Beine bestehen inzwischen aus Gummi. Mit wackeligen Knien stolpern wir über das lose Geröll und kommen ins straucheln….sehr beschwerlich…

Was wir morgen machen, wissen wir auch schon ganz genau:

Die letzten Serpentinen fordern nochmal alles von den Gummiknien: nochmal richtig steil bergab

Abstieg geschafft!

Eine Erlösung!

Kurz darauf stehen wir vor der Hängebrücke

Ging der Steg schon immer so hoch hinauf? Er kommt uns fast unüberwindbar vor…..

Eine Herausforderung! Nochmal alle Kräfte mobilisieren, da geht noch was!

Hah!

Noch zwei Kilometer bis zur Rappelkiste.

Wir schleppen uns durch das Wäldchen, erfreuen uns an der Landschaft und den hübschen Kamilleblüten überall.

Der nächste Treppenberg…..Was tut mehr weh? Die Treppen hoch? Oder runter?

Rauf….die Oberschenkel brennen…..

Aber mit Puddingknien runter ist eindeutig schlimmer….

Da hinten, der rote Hoffnungsschimmer! Welche Freude die Rappelkiste zu sehen! Die letzten Meter schaffen wir auch noch….

Geschafft! Wir dürfen uns auf die Schulter klopfen…

„Chapeau!“ Hut ab! Das war eine stramme Leistung heute.

Wir sind beide froh wieder zuhause zu sein, ganz schön erschöpft. Jetzt müssen wir nur noch die Treppenstufen hinauf in den Shelter schaffen…..uff……

 

 

Das war sicherlich eine der anstrengendsten Wanderungen, die wir je gemacht haben. Nur Rindomo Schlucht in Griechenland war ähnlich kraftraubend –> Griechenland: Die Rindomo Schlucht

Sonne, kein Wind, es ist richtig warm hier im Tal. Wir sitzen noch auf der Treppe, bis die Sonne hinter den Bergen verschwindet.

Oh, da meldet sich ganz langsam ein satter Muskelkater an….

Bis morgen, liebe Grüße!

Julia & Martin

Drink positive!

Auf Instagram: Rappelkisteberlin

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert