Das Gefährlichste an Marokko ist die Fahrt durch Spanien

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Wir fahren den ganzen Tag bis zum Playa Palmera bei Aguilas. Stürmische Böen begleiten die Fahrt, sehr anstrengend, wir können die schöne Küstenstrecke gar nicht richtig genießen. Der Platz bei den Palmen ist vollgeparkt mit Wohnmobilen, dicht an dicht. Das haben wir hier noch nie gesehen. Auf dem Felsplateau am Wasser steht überraschenderweise niemand, da richten wir uns ein.

Ein langer Spaziergang, bis es wieder anfängt zu regnen, den restlichen Abend verbringen wir im Lkw. Eine Nacht nur, schon geht´s weiter. An der Tankstelle füllen wir unsere Gasflasche und spülen den letzten Saharasand von der Rappelkiste. Da fließt er dahin…

Die graue Wolkendecke ist aufgerissen, das Wetter bessert sich, dann können wir ja doch zum Barranco de Gebas fahren! Gesagt, getan, wir wenden uns nordwärts hinauf in die Berge. Über Lorca Richtung Aledo. Unterwegs kommen wir an verlassenen Dörfern und Fabrikruinen aus dem vorigen Jahrhundert vorbei, gemauerte Wasserleitungen prägen die karge Berglandschaft. Am Abend erreichen wir Totana, eine große Sportveranstaltung blockiert den anvisierten Übernachtungsplatz, wir weichen aus auf einen privaten Wohnmobilstellplatz. Über Nacht bekomme ich starkes Kopf- und Halsweh, morgens wird klar: ich habe mir eine schlimme Erkältung eingefangen. Matt liege ich im Bett, huste vor mich hin. Der „Estrecho de la Arboleja“ lädt zu einer Wanderung ein, das fällt wegen der Erkältung aus, ich bin zu schlapp, schade. Chemische Keule muß ran. Nach Gebas führt eine sensationelle Serpentinenstrasse durch den Wald der Sierra Espuna. Schleife um Schleife schraubt die Rappelkiste sich auf dem einspurigen Sträßchen bergauf. Wir sind früh unterwegs und hoffen, daß uns niemand entgegen kommt. Stiller Wald um uns herum, ab und zu erhaschen wir Ausblicke ins Tal oder auf hohe Berggipfel, wunderschöne Natur. Der Pass ist nach einer Stunde überquert, wenig später halten wir auf einem Wanderparkplatz zur Mittagspause. Außer ein paar sportlichen Radfahrern, die sich eisern bergauf quälen, treffen wir niemanden. Die Abfahrt kurvt sich ebenso, unzählige Serpentinen geht es bergab, Martin muß ganz schön arbeiten, während ich schniefend genieße.

Am späten Nachmittag gelangen wir unten im Tal auf breitere Strassen, schlagen den Weg nach Gebas ein. Die Aussicht auf eine Pistenfahrt hat uns hergelockt, wir halten am Einstieg zur Sierra de Gebas auf einer kleinen Wiese. Was für ein Anblick: ein kleines Wüstengebiet mit starken Erosionen. Im Hintergrund leuchtet helltürkis der Barranco de Gebas, der Stausee. Ein phantastisches Bild! Durch die Wüste führt in engen Schleifen eine Staub- und Schotterpiste. Ein Schild warnt vor Gefälle und Steigungen von 20% und anderen Gefahren. Genau das Richtige! Eine dramatische Wolkendecke zieht auf, die chemische Keule läßt nach und ich liege wieder flach, heute geht da nix mehr.
Herrliches Wetter am folgenden Morgen, am Aussichtspunkt überblicken wir einen Teil der Strecke. Besser, Martin geht die Piste erstmal ab. Ich möchte gerne mit, muß aber nach wenigen Metern einsehen, daß ich das nicht schaffe. Die Keule rettet mich auch nicht mehr, völlig fertig sinke ich in den Liegestuhl.

Nach der Streckenbesichtigung entscheiden wir schweren Herzens, die Piste nicht zu fahren. Die Kehren der Serpentinen sind teilweise so eng, daß wir sehr präzise rangieren müßten, dafür bräuchte es eine fitte Copilotin. Vernunft siegt über Abenteuerlust.
Okay, wir brauchen ein ruhiges Plätzchen für ein paar Tage zum Gesundwerden. Durch herrliche Berglandschaften rollen wir an Felsen und Obstplantagen vorbei bis Archena. Eine Kleinstadt, um einzeln stehende, hohe Felsen herumgebaut, mit Therme. Der Eintritt in die Therme kostet ein Vermögen, wir hatten uns auf einen Tag in warmem Wasser gefreut, aber das ist uns zu teuer. Gleich am nächsten Morgen lenkt Martin die Rappelkiste wieder auf die sehr gut ausgebaute Landstrasse. Keine Kreisel, geradeaus sausen wir dahin, in Pinoso halten wir kurz an einer Weincooperative

und kaufen ein, dann geht es über Almansil weiter bis Jalance. Der Wohnmobilplatz am Schwimmbad gefällt uns nicht, wir ziehen noch 10 Kilometer weiter, durch Cofrentes bis zu einem kleinen See und lassen uns dort nieder. Der Platz ist total schön gelegen, oder doch nicht? Schaut euch das Foto an: was stimmt an der Idylle nicht?


Um halb neun, kurz vor der Dunkelheit kommt die Guardia Civil und erklärt sehr freundlich, daß es hier zu plötzlichen Überflutungen kommen kann, es ist zu gefährlich, wir können deshalb hier nicht übernachten. Mist, schnell packen, damit wir noch im Halbdunkel zurück nach Jalance kommen. Gerade so schaffen wir´s und quetschen uns an den Rand vom Schwimmbadparkplatz. Es ist saukalt. Wir müssen zurück an die Küste, da ist es wärmer.
Früh morgens starten wir durch auf dem schnellsten Weg über Requenas Richtung Castellon de la Plana. Neben dem kleinen Airfield bei Castellon waren wir schön öfter, zuletzt im November. https://www.rappelkiste-berlin.com/sonne-und-regen

Regenbogenberge flankieren die Strecke. Weinrot, ocker, lila, gelb und dunkelgrün gestreift, das sieht total irre aus! Wir kommen durch tiefe, schattige Wälder, an Weinbergen vorbei, noch vollkommen kahl, auf 700 Metern zeigen sich an den Bäumen erst kleinste frühlingsgrüne Blättchen. Mandelbäume hängen voller Nüsse, aus den Zitronenplantagen leuchten uns die gelben Früchte entgegen und wetteifern mit den weißen Blüten. Ein unbeschreiblicher Duft liegt in der Luft. Sagt Martin, ich riech ja nix….Wir kommen schnell voran, schon mittags sind wir beim kleinen Airfield bei Castellon und finden neben 60 Wohnmobilen noch einen schönen Platz für die nächsten Tage.
Ausruhen, während ich abwechselnd draußen und drinnen rumliege und schlafe, verbringt Martin die Tage mit Radfahren, im Meer baden, lesen, spazieren und Tee für mich kochen. Wir lernen Ismael aus Algerien und seine Frau Elke aus Karlsruhe kennen, unterhalten uns sehr nett. Nach fünf Tagen kommt die Policia Local und verkündet, daß morgen der Platz gesperrt wird. Die Palmen werden gegen einen schädlichen Käfer begast, wir können nicht bleiben. Macht nichts, mir geht´s viel besser, wir wollen ohnehin weiter. Aus den Nachrichten erfahren wir, daß die große Kathedrale Notre Dame in Paris in Flammen steht.
Die Polizeisirene weckt uns, nicht zu früh, sehr zuvorkommend. Es klopft…„Bitte, Leute, seid so freundlich und packt langsam zusammen.“ Na klar, machen wir. Adios Airfield!


Knapp 50 Kilometer weiter östlich liegt der Parque Natural Sierra de Irta. Ein Gebirgszug, der 15 Kilometer lang parallel zur Küste verläuft. Hier können wir nochmal runter vom Teer und auf Schotter durch den Park fahren. Wir kennen die Strecke schon vom Hinweg im November, zwischen Gebirge und Steilküste wartet herrliche Natur auf uns und mittendrin ein Platz auf den Klippen mit Meerblick abseits der Piste. Es ist kurz vor Ostern, ab Saisonbeginn wird das eigentlich verbotene Übernachten im Park nicht mehr toleriert, wir vertrauen auf unser Glück. Und das ist mit uns, die Sonne strahlt vom blauen Himmel, kein Wind weht und der Ranger übersieht uns. Wir sitzen auf unserer Meerblickterrasse, die Wellen sprühen hoch über die Klippen. Zwei wunderschöne Tage und Nächte verbringen wir hier, um uns herum duften wilder Fenchel, Rosmarin, Mastixsträucher und Zistrosen.

Wir möchten noch viel länger bleiben, aber am dritten Tag beginnt es zu regnen. Also zuckeln wir weiter durch die Sierra, ziehen locker die Serpentinen rauf, lassen Peniscola hinter uns und halten erst in Benicarlo am steinigen Strand. Dana und Karl melden sich, sind nur 30 Kilometer entfernt, wir verabreden uns für später. Prima! Kennengelernt haben wir die beiden letzten Herbst am Playa Palmera, haben uns in Marokko ein paar mal verabredet und verpasst, jetzt klappt es endlich! Benicarlo empfängt uns mit genau dem gleichen Mistwetter wie letztes Jahr, Regen und Sturmböen. Hierher zurück getrieben hat uns vor allem eines: die Erinnerung an das Restaurant „ El Mar de Bo“. Einfache, spanische Fischermannsküche, ohne Schnickschnack serviert. Mittags betreten wir das Restaurant, es sind genau drei Tische nicht reserviert. Kaum haben wir uns einen ausgesucht, füllt sich das Restaurant. Wären wir fünf Minuten später gekommen, hättten wir keine Chance gehabt. Megatiming! Wir beginnen mit Brot und Salat, danach Fischsuppe und Paella maresco, der beste Paellareis ever! Zweiter Gang Baccalao Riojana, der Fisch ist zart, perfekt auf den Punkt gedünstet, keine Spur von der gummiartigen Konsistenz, die wir sonst von Baccalao kennen. Fruchtige Tomatensoße mit Paprika- und Zwiebelstreifen runden den Geschmack ab, etwas ratlos macht uns die halbe kalte Kartoffel auf dem Teller. Zum Nachtisch Tarta de Queso und ein Achtel frische Ananas, köstlich! Um uns tobt das typische Leben in einem spanischen Restaurant, der Service bleibt äußerst aufmerksam, bei all der Hektik sehr freundlich und flink. Für diesen absoluten Genuss stehen am Ende inklusive Rotwein, Kaffee und Brandy für uns zusammen 23,50€ auf der Rechnung. An der Bar lassen wir den Restaurantbesuch ausklingen, sippen noch etwas mehr Rotwein, genießen die Atmosphäre. Der Chef hilft beim Abräumen, hat ziemlich Schlagseite und schüttet mir Rotwein über die Jeans. Seine verlegen genuschelte Entschuldigung ist kaum zu verstehen, die Flecken sind aber auch nicht so schlimm.

Durch den Regen zurück zum Strand, Karl und Dana parken bereits neben uns. Was für ein schönes Wiedersehen! Wir sitzen in ihrem geräumigen Feuerwehrholzhaus und berichten uns gegenseitig, was wir in den letzten Monaten erlebt haben. Dana hat sich erst in Spanien den Arm gebrochen und konnte sich anschließend nicht mit Marokko anfreunden. Karl war ja schon öfter da und ist genauso begeistert wie wir. Im kommenden Winter wird die Feuerwehr nach Mexiko verschifft. Draußen stürmt es, durch den Regen gehen wir nach Hause. Windböen mit 65km/h heulen um die Rappelkiste, die Wellen rollen ziemlich hoch an unsere Reifen. Karl ist morgens mit dem Hund draussen, Dana kommt zum Verabschieden raus. Es ist eiskalt, zuhause sitzen sie bei 25 Grad in der Sonne, das geht doch nicht! Im Sturmwind sagen wir „Auf Wiedersehen, vielleicht in Mexiko!“

Fahren, fahren, fahren. An Tarragona vorbei, bis kurz vor Barcelona. Jetzt wird´s Zeit was zum Übernachten zu finden. Eine Sackgasse in einem gut situierten Wohnviertel am Strand bietet sich an. Warum nicht, sieht in Ordnung aus für eine Nacht. Wir packen schnell alles in den Rucksack, stellen den hinten in den Shelter und gehen an den Strand. Ganz nett, mit Rückenwind spazieren wir weiter, nach einer dreiviertel Stunde finden wir eine windgeschützte Strandbar. Schon stehen zwei riesige Gläser Apérol Spritz vor uns, wir sitzen in der Sonne.
Auf der Strasse an den Apartmenthäusern vorbei gehen wir zurück, ganz schön edel hier. Beim Steyr angekommen, fällt Martin als erstes das halb offene Beifahrerfenster auf. Oh, nein! – Oh, doch! Was wir niemals erwartet haben, ist passiert: Einbrecher! Die abschließbaren Fächer im Fahrerhaus sind aufgebrochen. Da war nichts wertvolles drin. Aber beide Durchstiegstüren sind offen. Wir gehen nach hinten und sehen als erstes, daß Martins Kamera weg ist. Ebenso der Rucksack mit dem Ipad, meiner Kamera, unseren Reisepässen und noch mehr. Alles gestohlen. Anscheinend haben wir den Dieb gestört, denn der Schrank von Martin steht offen, es ist aber nichts weg. Wir sind völlig fertig, verdammtes Diebespack.Was für ein Sch….gefühl…

Policia kommt, zur Aufnahme der Anzeige müssen wir zur Polizeistation nach Gava fahren. Bis halb zehn sitzen wir da, bis das Protokoll endlich fertig ist. Übernachten dürfen wir in Gava nicht. Fünf Kilometer weiter sollen wir zur Petrocat Tankstelle fahren, da wäre es in Ordnung, sagt die Polizistin. Also stellen wir uns auf den hell beleuchteten Parkplatz der Tankstelle an der Schnellstrasse. Ein paar Lkws stehen noch da und ein Wohnwagen, in dem eine gastfreundliche Dame eine Menge Besucher empfängt. Wir sind ganz geknickt, entkorken eine Flasche Rotwein und trauern unseren Sachen nach. Viele Freunde rufen an oder schreiben, fragen, ob mit uns alles in Ordnung ist und versuchen zu trösten. Leute, ihr seid einfach großartig!
Das Schlimmste ist, daß die Diebe mit den meisten Sachen gar nichts anfangen können. Außer Martins Kamera, den Reisepässen und unserem verkratzten Internetrouter sind die Sachen alt. Im Rucksack war Martins Ipod der ersten Generation, sowas gibt´s gar nicht mehr und ist unersetzbar. Unser Ipad wird nie wieder eingeschaltet und liegt mit den anderen Sachen wahrscheinlich jetzt irgendwo auf dem Müll. Viele tolle Fotos, zum Beispiel von den Regenbogenbergen und den Dorfruinen, sind verloren. So endet unsere Fahrt durch Spanien. Bitter.

Dennoch: unserer Begeisterung für Spanien und seinen Einwohnern tut das keinen Abbruch, wir würden immer wieder, nur zu gerne, durch Spanien reisen. Aber jetzt starten wir Richtung Grenze und metern durch bis nach Frankreich.
Bis bald, liebe Grüße

Julia & Martin
Drink positive!

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