Ungarn – Budapest

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Von Deutsch-Jahrnsdorf zur ungarischen Grenze sind es 14km. Wir fahren wieder Landstrasse. Die GoBox geben wir an der letzten Tankstelle in Österreich zurück. Die 45km Autobahn gestern haben 12,50€ gekostet. Nicht gerade preiswert.
Die Grenzstation ist menschenleer, die Gebäude wirken verlassen. Ganz europäisch. Direkt hinter der Grenze tauschen wir 50 Euro und bekommen 16500,- und ein paar gequetschte Forint dafür. 1Euro = ca 335 Forint. Diesel kostet um die 400,-Forint pro Liter und ist teurer als Benzin.
Über die Landstrasse Nr 1 sind es 179km nach Budapest. Die Landschaft ist topfeben, die Strasse unendlich geradeaus, einschläfernd. Als einzige Abwechslung rennen viele, viele Fasane über die Felder, ist das hier die berühmte Puszta?

Die Ortschaften klein, niedrige Häuschen mit großen Gärten. In den Städten ein Mix aus sozialistischen Bauten und prunkvoller Gründerzeit.
Unter einem grauem Himmel mit schweren Wolken rollen wir dahin, immer wieder Regenschauer. Ich werfe einen Blick in den Rückspiegel…..oh, was ist das? Stop! Eine unserer Stauklappentüren hängt lose und unsere Schneeketten haben sich bereits zur Hälfte rausgearbeitet! Die Tür hängt nur noch am Vorhängeschloss, das Scharnier ist komplett abgerissen. Glück gehabt, der gesamte Inhalt ist noch da. Zwei Spanngurte ersetzen ab jetzt das Scharnier, besser gesichert war die Klappe noch nie. Spanngurte kann man nie genug dabei haben.

Nur noch wenige Kilometer bis Budapest, es wird jetzt schnell dunkel. Wir fahren zur M1, wollen über die Autobahn schneller in die Stadt. Mist! Vignettenpflicht! Also in einem großen Bogen um die Stadt herum und dann auf den Innenstadtring. Nur noch 8km bis zu unserem anvisierten Stellplatz für die Nacht. Wir sind gleich da!
Denkste! Im Feierabendverkehr stauen wir uns in den nächsten 2 Stunden gaaanz langsam vorwärts. Megastau.

Und fahren dann zum Schluss an der Stellplatzeinfahrt vorbei! Okay, durch kleine Strassen zurück. Wir überqueren ein großes Bahngelände und sehen die Flutlichter eines Sportplatzes. Im strömenden Regen trainieren Jugendliche Fussball. Links die Frauen, rechts die Männer. Davor liegt ein großer Parkplatz, schnell entscheiden wir, hier zu übernachten. Später spielen noch 2 Altherrenmannschaften, für Unterhaltung ist also bestens gesorgt.
Den eigentlichen Stellplatz finden wir am nächsten Morgen, 2500,- Forint die Nacht, bewacht und zentrumsnah. 14°C, Sonne, wir wandern durch einen Park Richtung Heldenplatz. Im Park wohnen viele Obdachlose in Zelten und Bretterbuden.

Ist ja wie in Berlin hier! Die bronzenen Helden auf dem Platz schauen sehr selbstbewußt und siegessicher in die Ferne.

Wir flanieren die breite Andrassy – Strasse entlang Richtung Zentrum und bestaunen die Prachtbauten. Manche renoviert, manche warten noch auf Erneuerung. Wir bekommen Genickschmerzen vom Hochsehen. Unter uns rumpelt die Földalatti, eine der ältesten U – Bahnen der Welt.

 

Die Donau, stahlgrau und träge fließend, trennt sie die beiden Stadtteile Buda und Pest.

Die Stadt ist ein architektonisches Erlebnis. 6-geschossiger Klassizismus neben einstöckigem schlichtem Haus. Art Deco neben 50er Jahre. Moderne Glassfassaden, in denen sich der Jugendstil von gegenüber spiegelt. Wir durchqueren ein altes Wohnhaus, dessen Hofdurchfahrt mit Stirnholz gepflastert ist. Das baufällige Treppenhaus stützt sich auf dicke Balken.

Wir wenden uns flussaufwärts und gehen zur großen Markthalle. Ein prächtiger Stahl- und Ziegelbau. Sehr viele Fleischer, unendlich viele Dauerwürste, ein paar Gemüsestände, Gewürze, Tourikitsch. Die Halle imposant, 2stöckig, oben befinden sich Restaurants mit Blick in die Halle. Touristen schlendern herum, die Atmosphäre ist seltsam leblos und still. Sehr sauber. Einheimische kaufen hier wohl eher nicht ein. Wir haben das Gefühl, hier kauft niemand ein. Das ist wie ein Museum. Nicht zu vergleichen mit dem Lärm, dem Trubel und der Lebendigkeit spanischer Markthallen.

Wir brauchen erstmal eine Erfrischung, für die am Schluss für uns überraschend noch zusätzlich ein „Servieraufschlag“ gezahlt werden muss. Unser Stadtrundgang führt uns ins jüdische Viertel. Wir kommen an der zweitgrößten Synagoge der Welt vorbei, an der sich Touristen einem aufwendigen Sicherheitscheck unterziehen müssen. Im Garten der Synagoge die Gräber von im Ghetto verhungerten und erfrorenen Juden. Ein schauriger Anblick.

Wir schlendern durch die Gassen, gesäumt von niedrigen, kleinen Häusern, viele mit dem Davidstern oder dem 7armigen Leuchter verziert. Ein schönes Viertel. Schließlich stehen wir vor dem Szimpla Kert. Hier haben Künstler einen ganz speziellen Ort erschaffen: mehrere Ruinenhäuser sind durch einen langen Hof verbunden. Die Fenster und Eingänge im Erdgeschoss und im ersten Stock sind herausgebrochen, man kann alle Häuser betreten. Überall Kunst unterschiedlichster Art, in den Räumen kleine Bars, ein Burgergrill, Glitzerkugeln, Videokunst, viele Pflanzen. Es steht jedem frei, sich auch an den Wänden zu verewigen. Millionen von Kleinigkeiten sind zu entdecken. Wir fühlen uns schlagartig 30 Jahre zurückversetzt ins Berlin der Wendezeit, als alles möglich zu sein schien und man der Fantasie freien Lauf lassen konnte. Es ist großartig!! Der Hof ist teilweise überdacht, teilweise offen. Wir streifen lange umher, sitzen mal hier und mal dort, gehen durch das obere Stockwerk von Haus zu Haus und wandern durch die Räume. Im Burgergrill essen wir einen wirklich köstlichen Veganburger. Überall ist etwas zu entdecken, man kann sich nicht satt sehen. Lange bleiben wir im Szimpla Kert. Das ist das absolute Highlight unseres Budapestbesuches.

Spät nachts wandern wir zurück zum Stellplatz. Die Strassenlaternen werfen ihr blasses Licht auf stille Gassen, manche Häuser sind verlassen, die Fenster zugenagelt. Die Fassaden schwarz vom Russ der Kohleöfen. Wie im alten Berlin, wir geraten ins Schwärmen……Eine wilde Mischung der Baustile, bewohnt und unbewohnt. Aber anders als in Berlin sind die Strassen menschenleer und kahl, ohne Strassenbäume. Wo sind die kleinen Geschäfte? Kleine Handwerkerbuden oder junge Leute, die ihre eigenen Sachen verkaufen? Plattenläden? Wir halten Ausschau nach einer schlichten Eckkneipe, wohin gehen die normalen Budapester? Wenn wir eine entdecken, dann ist sie durch junge Leute aufgehippt. Das ist nicht schlecht, aber wo sind die alten? Vielleicht haben wir das passende Viertel dafür nicht gefunden…..
Im Park leuchten kleine Lichter in den Zelten, die Luft ist nebelfeucht. Zuhause in unserem Shelter springt die Heizung an und wärmt uns auf. Budapest im November hat uns sehr gut gefallen. Aber ein Tag Großstadt reicht, morgen früh machen wir uns auf den Weg zur nächsten Grenze. Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro liegen vor uns. Mal sehen, was uns dort alles erwartet….
Liebe Grüße!


Julia & Martin
Drink positive!

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