Neun Uhr morgens, die ersten Kleinbusse und Pkws kommen an. Bis auf ein paar Regenschauer war es eine ruhige Nacht auf dem Parkplatz.
Die Hoffnung auf Sonnenwetter geben wir auf. Schade, wir wären gerne nochmal zur Insel gewandert, um die Gletscher in voller Schönheit zu sehen.
Alles startklar, mal sehen, wohin es uns heute verschlägt.
Auf den Hängen stehen die Reste der einst riesigen Waldflächen. Ein paar grüne Baumkronen zwischen den verbrannten Stängeln stimmen optimistisch. Aber es braucht noch sehr viel Zeit.
Zwischen den Felsen hindurch, vor uns liegt die Ebene. Selbst bei diesem Trübwetter, ist der Farbkontrast von grau und gold einfach grandios.
Im Zweiminutentakt kommen uns jetzt Reisebusse entgegen. Und tapfere Radfahrer. Wir sind froh, das wir trocken und gemütlich im Steyr sitzen, die Heizung im Fahrerhaus bullert…
Vor der Brücke halten ein paar Pkw. Warum? Ist die gesperrt? Wir rollen näher…..wo gucken die denn alle hin mit ihren Kameras?
Oh!! Wow!
Ein Puma streift durchs hohe Gras, direkt neben uns.
Was für ein Glücksfall! Pumas bleiben lieber im Verborgenen und meiden die Menschen.
Der Tag beginnt ja vielversprechend.
Wir überqueren den türkis leuchtenden Rio Paine. Die Farbe ist fast nicht zu glauben! Gletscherwasser und Mikroorganismen verursachen dieses tiefe türkisblau, lesen wir.
Jaja, die Piste…..Wir werden ordentlich durchgerüttelt, aber durch die herrliche Landschaft entlang des Rio Paine auch bestens entschädigt
Aah… so ganz langsam heben sich die Wolken. Auf den Gipfeln hat es geschneit, die Schneegrenze ist deutlich zu sehen. Wunderschön schlängelt der Weg am Ufer entlang.
und wird plötzlich zu einer Pflasterstrasse
Der Abzweig führt zum Hotel Explora. Etwas weiter unten befindet sich ein kleiner Parkplatz, den nehmen wir.
Pause. 1½ Stunden waren wir unterwegs für 26 Kilometer. Dank der üblen Piste reduziert sich die Fahrgeschwindigkeit enorm, das ist eigentlich schön. So genießen wir die Fahrt länger.
In der Nähe hören wir lautes Rauschen. Der Wasserfall Salto Chico.
„Das schauen wir uns an!“ Der blaue Himmel setzt sich durch, wir wandern los.
Der Weg beginnt sehr bequem über Holzstege.
Über gefühlt 137000 Stufen steigen wir bergauf
Unten sehen wir Rappelkiste auf dem kleinen Parkplatz
Über den Bergen entwickelt sich mittlerweile ein ganz großes Wolkenspektakel
Sagenhaft!
Die Wolken und der leuchtende See im ständig wechselnden Licht, da kann man nur stehenbleiben und staunen….
Dicht an dicht bedeckt Hierba de la culebra den Boden. Übersetzt: Wirrwarrkraut, wie passend!
Die Pflanzenkissen sehen so kuschelig aus, man möchte ständig mit der Hand drüberstreichen.
Dabei merkt man schnell: sie stecken voll spitzer Nadeln
Am Steg liegt das Ausflugsboot, fest vertäut. Direkt dahinter rauscht das Wasser des Lago Pehoé die Felsen hinunter
Zum Salto Chico müssen wir um das Hotelgebäude herum. Zwischen den Stegbrettern wachsen bunte Blumensträußchen
Laut donnern die Wassermassen des Lago Pehoé in den Rio Paine. Wieviel Hektoliter pro Sekunde sind denn das? Es läuft und läuft und läuft, seit Jahrtausenden……woher kommt sooo viel Wasser? Alles von den tauenden Gletschern?
Ein Stück weiter vorn ist eine Aussichtsplattform. Dort sprüht mir die Gischt des Wasserfalls entgegen.
Auf der anderen Seite des Hotels führt der Steg hinunter zum Rio Paine. Unsere Wanderlust ist ungebrochen, wir ziehen weiter.
Neben der Treppe zum Wellnessbereich des Hotels wachsen mannshohe rotstängelige Doldenstauden.
Hier blüht das Wirrwarr, ganz entzückende Blüten, wie Silvesterfeuerwerk. Das Kraut gilt als Heilpflanze bei Diabetes.
Martin hat einen Rundwanderweg entdeckt, der von der Strasse weg den Berg hinaufführt.
Ein schmaler Pfad durch hohes Gras erwartet uns auf der anderen Strassenseite
Hinein in einen kleinen Wald, hinter uns zwitschen die Zweige zusammen
Ein Nebeneinander von verbrannten Stämmen, schwarz verkohlt und ausgeblichen und grünem Neubeginn
Teilweise reicht uns das Gras bis zur Schulter
Der grüne Baum ist nicht älter als 23 Jahre, wahrscheinlich jünger. Wieviele Jahrzehnte er noch brauchen wird, bis sein Stamm so dick ist wie der verbrannte Baum vor ihm.
Nonstop bergauf….uff….kurze Verschnaufpause
Anstrengend, aber wunderschön, der Weg durch die blühenden Kräuterwiesen
Copihue – Chiles Nationalblume
Wir befinden uns abseits der beliebten Wanderrouten, außer uns ist hier niemand unterwegs, perfekt um die Natur voll zu genießen.
Immer steiler geht es bergauf.
Der Ausblick: phänomenal
Mit den Händen schieben wir das schulterhohe Gras beiseite, bahnen uns den Weg bergauf
Hinter uns blitzen weiße Schneekuppen im Sonnenlicht
An diesem Meilenstein müssen wir uns entscheiden: entweder nach links und wieder hangabwärts, die kurze Runde.
Oder hoch hinauf über den Kamm, die lange Runde….
Klar! Die lange Runde!
Also denn…
Ach du meine Güte, ist das steil…..
Ich muss mich regelrecht nach oben stemmen
Völlig aus der Puste, kein Wunder, wieviel Grad Steigung hat denn das?
Schön langsam machen…
Was haben wir uns denn da ausgesucht?! Das sind doch bestimmt 45° Grad nach oben!
Steinchen kullern hinter uns talabwärts, ohne festhalten kommen wir hier nicht hoch.
Ich würde am liebsten auf allen Vieren raufkriechen…
oh man, Martin hat´s gleich geschafft….
Was für ein Anstieg!
Hah! Wir Gipfelstürmer! So erleichtert, oben zu sein!
Pause….
So, geht wieder….
Mitten durch die Nadelkissen wachsen neue Bäume.
Martin zögert, guckt auf die Karte. Unser Pfad hätte links abzweigen müssen. Der Weg geradeaus führt hinaus in die schier unendliche Pampa, das wollen wir nicht….
Links ist keine Spur zu erkennen…wir versuchen es einfach mal querfeldein, Hauptsache links
Aah! Das könnte der Pfad sein…
Ja, wir sind wieder auf Kurs
Superschöner Blick, aber es sieht ein bißchen nach Regen aus….
Unser Weg ist fast zugewachsen, manchmal kaum zu erkennen. Aber dann sehen wir deutlich die Linie quer über den Steilhang
Und während auf der anderen Seite die Sonne scheint,
bekommen wir einen feinen Guß von oben. Garniert mit starken Windböen, die uns immer wieder aus dem Gleichgewicht bringen und uns gegen den Hang schubsen. Sehr unangenehm.
Zum Glück lässt der Wind bald nach.
Erneut verschwindet der Weg im Gestrüpp, ohne Karte wären wir aufgeschmissen.
Chilenischer Feuerstrauch, mit seinen blendend roten Blüten zieht er den Blick auf sich
Steter Wind föhnt unsere regennassen Jacken und bläht die Kapuzen
Kurzer Check – wo geht´s lang? Ah, ja, bergauf! Is´ ja klar….
Oben angekommen, bleiben wir erstmal erschüttert stehen….
Wie bleiche Knochen stechen die Überreste des Waldes in den Himmel, stumme Zeugen des großen Feuers.
Aus diesem Baumknubbel schauen uns viele Gesichter an, verbannte Geister. Hexenbäume, etwas gruselig…
Weiter geht die Kletterpartie…….
Schon ganz schön kaputt. Aber sehr glücklich
Die Wälder sind kahl, doch am Boden wächst und gedeiht es. Blüten überall, eine enge Lebensgemeinschaft unterschiedlichster Pflanzen, dicht an dicht geben sie sich gegenseitig Schutz.
Feiner Nebel zieht vorbei, nur für ein paar Sekunden.
Sofort ändern sich Licht und Stimmung, es wird mystisch, fast gespenstisch
Und zack! scheint die Sonne wieder
Rechts blicken wir hinunter auf Seen mit dem passenden Namen Laguna Negra.
Hier erholt sich der Wald langsam und beginnt, die Spuren des Feuers zu überdecken
Am Hang gegenüber verläuft der Wanderweg hinauf zum Mirador Condor. Ein paar Leute genießen von dort die Aussicht.
Bis jetzt waren wir ganz allein unterwegs, nun treffen wir auf einen der populären Wanderwege.
„Wollen wir auch noch da raufgehen?“ fragt Martin.
„Auf gar keinen Fall! Mir reicht´s für heute mit bergauf!“ erwidere ich.
Und Martin ist das sehr recht.
Es geht hinunter, der Brocken da oben bleibt hoffentlich schön liegen….
Kaum unten, erfasst uns ein mörderischer Zugwind. Zwischen den Felsen entsteht ein unglaublicher Sog, die Kapuzen knattern uns um die Ohren. Gar nicht mehr schön…..Hier erlebt man immer wieder eine neue Überraschung
Gegen den Wind geht´s jetzt bergab…und wie!
Hinter Martin schwebt plötzlich ein riesiger Vogel über den Himmel. Kondor oder Adler?
Noch einer! Riesig! Wir fühlen uns im Vergleich recht klein hier unten, sie sind wirklich beeindruckend groß, das geben die Fotos nicht im Geringsten wieder.
Weit unterhalb liegt der Campingplatz, wir haben noch einen langen Abstieg vor uns
Die Knie butterweich kommen wir zum Seeufer.
Das Bergpanorama – phänomenal!
Die Sonne strahlt zwischen die Felsen und rückt eine Spitze ins Rampenlicht, die wir vorher noch garnicht gesehen haben.
Gewaltige Eismassen liegen auf dem Gletscher, man sieht aber auch, wie weit das Eis zurückgegangen ist. Erschreckend.
Der kurze Weg zurück zur Rappelkiste wäre entlang der Strasse. Oder wir nehmen einen Umweg über den Campingplatz und quer durch die Pampa.
Keine Frage, oder?
Von dem Bergblick bekommen wir einfach nicht genug…
Wir gönnen uns eine Schaukelpause auf dem Campingplatz, Huiiiii…….
und schlagen uns dann ins Dickicht. Schmetterlinge umschwirren uns, Vögel singen und begleiten uns von Ast zu Ast.
Das Gras überragt uns, Dornenzweige versuchen, uns aufzuhalten und zupfen mir frech den Kopfputz hinunter
Der Weg verschwindet immer wieder im Gras, ob das hier eine gute Idee ist? Wo geht´s lang?
Wir ducken uns unter Ästen hindurch, rätseln… und finden den Pfad doch immer wieder.
Noch einmal sammeln wir die letzten Kräfte….müssten wir nicht langsam Rappelkiste sehen?
Da! Ein roter Schimmer zwischen den Bäumen!
Die letzten Meter, wir sind zuhause! Juhuuuhh!
Uns reicht´s jetzt aber auch mit wandern…..völlig kaputt…..
Aber total begeistert!
Aus „nur mal zum Wasserfall laufen“ ist eine fantastische Rundwanderung geworden.
Erschöpft lassen wir uns in die Liegestühle fallen, ausruhen im Abendlicht
Toller Tag!
Liebe Grüße, bis morgen!
Julia & Martin
Drink positive!
Auf Instagram: Rappelkisteberlin
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