Marokko – die Küste südwärts bis Essaouira

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Aufbruch aus Moulay Bousselham Richtung Süden. Besser, wir füllen hier noch unseren Wassertank auf, wer weiß, wann wir wieder gutes Wasser bekommen. Nach einer halben Stunde ist unser 100 Litertank immer noch nicht voll, der Wasserdruck ist zu schwach, wir geben auf. Den Camping bezahlen wir mit dem 100 Dirhamschein, den wir von unserer letzten Marokkoreise aufbewahrt haben. 29 Jahre hat er still im Schrank gelegen, jetzt schicken wir ihn wieder auf Wanderschaft. Adieu, gute Reise! Wir steuern die Rappelkiste in das Gewusel von Eselkarren, Pferdewagen, Schulkindern, LKWs, Leuten, Mopeds, Hühnern und Hunden. An den Durchfahrtstrassen der kleinen Ortschaften reihen sich schmale Werkstätten und Geschäfte aneinander. Die Autowerkstätten dunkle, kleine Höhlen aus Wellblech auf dem Erdboden, Schmiede haben ihr Material draussen gelagert, vor den Tischlerwerkstätten stehen fertige Schränke oder Betten. Am Strassenrand sind auf Karren Orangen und Mandarinen gestapelt, andere haben Fische auf kleinen Holztischen anzubieten. Vor den Fleischerbuden hängen die Tierhälften, ob Schaf oder Ziege erkennt man an den darunterliegenden Köpfen.

Alles staubt ordentlich ein, wenn LKWs vorbei fahren. Und überall Müll. Viel Müll. Wellblechsiedlungen. Mehrere hunderte Störche bevölkern die Lagunenlandschaft und eine riesige Müllkippe. Pflüge werden von Pferden oder Eseln gezogen, die Bauern gehen hinterher. Von großen LKWs wird Mist auf die Felder geschaufelt und verteilt. Männer haben Beutel umgeschnallt, aus denen sie mit Schwung Saatkörner auf die Felder streuen. Das klingt doch voll nach Bio, oder? Alles ganz schön anders.

Vor Rabat fahren wir auf die Autobahn um die Stadt zu umgehen. Die Beschilderung ist teilweise rätselhaft.

Auf einmal ist alles sauber. Männer in Warnwesten laufen an der Autobahn entlang und sammeln jedes Müllfitzelchen ein. Aber auch die Landschaft, die Felder und die Siedlungen sind plötzlich ohne wilde Müllhalde. Ob das daran liegt, daß hier der König vorbeifährt? Wir düsen noch weiter, an Rabat vorbei und suchen uns vor Casablanca einen Übernachtungsplatz. Bei Ben Slimane werden wir fündig, hinter einem weitläufigen Appartmentbauprojekt rumpeln wir über einen Feldweg an die steinige Küste. Auf einem kleinen, hier auch leider wieder mülligen Plateau bleiben wir stehen. Zwei Harpunenfischer bringen gerade ihren Fang ans Ufer. Der eine trägt schwer an einem großen, goldfarbenen Fisch. Wir kommen ins Gespräch, ah, ihr seid aus Deutschland, bienvenue au Maroc! Eine kleine wilde Hündin kommt vorbei und zieht freudig mit unserem halben Brot von gestern wieder ab.

Nach einer ruhigen Nacht gehts im Morgengrauen weiter. Auch Casablanca umfahren wir auf der Autobahn, die Stadt liegt unter einer dicken Smogdecke. Nichts wie weg hier!

Bei Jadida verlassen wir die Autobahn und fahren an der Steilküste entlang. Unterhalb liegen kilometerweit absolute Traumstrände, menschenleer. Wir finden kaum eine Zufahrt und wenn, dann steht da ein großes „Campen verboten“ Schild.

Mist! Es parkt auch tatsächlich niemand da, keine Surfer, keine Franzosen, keiner zu sehen! Das ist schon auffällig, in Europa werden „Campen verboten“ Schilder definitiv ignoriert. Hier scheint man sie ernst nehmen zu müssen.

Felder und kleine Ortschaften wechseln sich ab, wir halten an einer staubigen Parkbucht um etwas zu essen. Gegenüber total aufgeregte Kinder, sie kichern, winken, machen faxen. Einer kommt rüber und fragt schüchtern nach einem Stylo, einem Stift. Leider haben wir keinen, macht nichts, merci und er flitzt wieder zurück zu den anderen. Wir haben gerade die Töpfe auf dem Herd als ein großer Mercedes neben uns hält und hupt. Was ist jetzt wieder los? Der freundliche Herr ist von der Gendarmerie und erklärt uns, daß wir hier nicht übernachten können – „pour votre securité!“ Für unsere Sicherheit! Äh, hier übernachten? Am Strassenrand? Mitten in der Ortschaft? Abgesehen davon, daß wir das ohnehin nicht wollten, kommt uns das hier auch nicht sehr gefährlich vor. Naja, egal, wir erklären, daß wir nur essen und bedanken uns für den Hinweis. Woher wir kommen fragt er noch, ah, aus Deutschland, bon appétit et bienvenue au Maroc! Wirklich alle sehr freundlich hier.

Ein bißchen wollen wir noch fahren. Wir sehen zwei italienische Offroadmobile unten auf dem Strand. Aha, hier geht also doch was! Für uns ist es zu früh, wir entscheiden weiterzufahren. Bei Safi kommen wir durch Schwerindustrie, große Häfen und eindeutig riechende Fischfabriken prägen die Landschaft. Na, hier wollen wir sicher nicht bleiben!

Vor uns wieder eine der unzähligen Polizeikontrollen. An jedem Kreisel, vor jeder Stadt und immer wieder mitten in der Landschaft müssen wir abbremsen und langsam an Polizeikontrollen vorbei, werden aber immer durchgewunken. Hier überraschenderweise nicht! Wir werden gestoppt. Nanu?! Papiere bitte –  „vous avez trafic“! Wie bitte? Wir haben Verkehr? Achso, wir sind zu schnell gefahren! Wie schnell denn? „78km/h, hier ist Tempo 60!“  Martin ist empört! “ Was?! 78km/h?! So schnell fährt dieser Wagen gar nicht!“ „Äh, nein, es waren 72km/h..“ “ So schnell kann der Wagen auch nicht fahren, ausgeschlossen!“ Okay, aussteigen! Den Geldbeutel in der Hand geht Martin zu den Polizisten. Wir kommen wohl doch nicht um eine Strafe herum. Die Polizisten beraten sich. Martin wird verwarnt und wir dürfen weiterfahren! „Aber das ist das letzte Mal!“ sagen sie noch und wir bedanken uns ausführlich.

Jetzt haben wir genug für heute und suchen einen Platz. Ein kleiner Fischerhafen zieht uns an, kleine Boote, schlichte Steinhäuser und bewohnte Schilfhütten. Schön hier, aber es zieht wie Hechtsuppe, ein kalter, heftiger Wind!

Wir würden noch gerne in der Sonne sitzen…..etwas weiter gibt es einen Campingplatz, es ist halb 5, keine Experimente mehr heute. Auf dem Camping sind wir die einzigen Gäste, die französischen Besitzer freuen sich sehr, es ist windstill, sonnig und wunderschön am feinpudrigen Strand gelegen. Ruhe……

Nächster Tag: Essaouira! Mit seinem weiten weißen Strand! In unserer Erinnerung ein quirliger, romantischer Ort innerhalb großer Stadtmauern. Wir waren damals lange hier und völlig begeistert! Verwinkelte Gassen, eine zweite Stadtmauer, dahinter noch eine Mauer mit großen, massiven Holztoren. In den inneren Stadtmauern diese winzigen Werkstätten, darin Holzhandwerker, die wunderschöne intarsiengeschmückte Dinge hergestellt haben. Messingwerkstätten. Das ständige Klopfen der Hämmer auf die Punzen mit denen Muster in die großen Messingplatten geschlagen werden. Ganz normaler marokkanischer Alltag…..Heute….tja….klar, die Stadtmauern, die Winkelgassen sind da. Die Neustadt wuchert außen herum. Der Camping früher außerhalb, jetzt mittendrin. Frei parken ausgeschlossen.

Es ist voller Touristen. Viele Restaurants, Bars, Touriläden. Junge Europäer wirken lächerlich absurd in ihren unterhosenartigen Shorts. Die Holzwerkstätten sind zu reinen Verkaufsläden mutiert, die Handwerker sind bis auf zwei alte Männer verschwunden. Vieles sieht nach Massenware aus. Die Messingwerkstätten sind weg. Dafür jetzt kleine Hostels. Viele Teppichgeschäfte, Schals und Tücher. Frauen sitzen vor Argan – Kosmetikläden und drehen große Steinmühlen. Sie mahlen geröstete Mandeln, geben Arganöl und Honig hinzu und stellen Amlou her, einen köstlichen Brotaufstrich. Die Touristen dürfen auch mal die Mühle drehen. Das ganze wirkt wie eine Folklorevorstellung. In einigen Restaurants gibt es sogar Wein und Bier zu kaufen, allerdings zu saftigen Preisen! Nach wie vor ist die Stadt wunderschön, fasziniert und gefällt uns. Eben nur ganz anders jetzt. Marokkanischer Alltag inmitten von Massentourismus. Zum Glück leben hier immer noch viele Marokkaner in den alten Häusern der Medina. Sonst wäre es irgendwie doch komplett ein Freilichtmuseum geworden. Wir wandern herum, lassen alles auf uns wirken.

Vor dem inneren Mauerring finden wir den Souk, den Markt. Hier ist es plötzlich wieder normal marokkanisch!  Ein wildes Durcheinander von Mopeds und Menschen. Gackerndes Federvieh in Käfigen. Obst und Gemüse, Oliven zu großen Kegeln aufgetürmt, kleine Kioske. Garküchen, die so aussehen, als bräuchte man einen sehr robusten Magen. Wellblech, Plastik und Müll. Fleischer hängen ihre Ware vor die Tür, Fliegen überall, die Strasse staubig. Große Möwen sitzen in der oben offenen Fischhalle und warten auf Abfälle. Der Olivenmann bedient uns freundlich, spricht kein einziges Wort aber schenkt uns zum Schluss noch Pepperoni (unglaublich scharf ) und eine eingelegte Zitrone (gewöhnungsbedürftig) Der Gemüsemann ist jung und lustig, ein Bäcker stapelt seine Brote in einem Glasschrank, Fliegensicher, hier kaufen wir. Das hier gefällt uns total.

Beladen mit unseren Einkäufen schlendern wir langsam durch die Medina zurück, bummeln noch etwas, stöbern hier und da. Später setzen wir uns zum Sonnenuntergang vor eine Strandbar, trinken einen frisch gepressten Orangensaft und lassen den Tag revue passieren. Essaouira…..wir dachten, wir bleiben hier länger. Aber jetzt hat uns ein Nachmittag gereicht. Der alte Zauber ist vergangen.

Morgen suchen wir uns ein neues Ziel, Hauptsache weiter nach Süden….

Viele Grüße, bis bald

Julia & Martin

Drink positive!

 

 

 

 

 

 

 

  1. Brigitte Bergmann

    Eine Reise auf der Reise. Kurz mal von Moulay Bousselham die Küste entlang und dann durch Essaouira schlendern. Dabei vergessen, dass sich draußen vor der Tür Zagora befindet, weil Du so lebebdig geschrieben hast😊

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